Geschichte

Auszug einer Festschrift aus dem Jahre 1953

Damals lagen die Staubwolken über allen Straßen, auf denen die Fuhrwerke und ersten Automobile rollten. In Wien gab es einige wenige Fahrbahnen mit Stampfasphalt, die verkehrsreichsten Straßen hatten Großwürfelpflaster, ansonsten aber gab es nur wassergebundene Makadamdecken, die sich bei Regen und Nebel in Kot und Schlamm verwandelten und bei trockenem Wetter jeden Wagen mit einer Staubwolke quittierten. Noch schlimmer war es mit den Automobilen, die mit dreißig und mehr Kilometern Geschwindigkeit die Straßen „durchrasten“ und zur Verzweiflung aller Einwohner Gestank und Staub hinter sich ließen. Das Automobil stand damals gerade am Anfang seines Siegeszuges, aber Gestank, Staub und Spektakel brachten seine Widersacher so in Harnisch, dass sie die aufstrebende Industrie mit allen Mitteln bekriegten. Die Klagen über die Staubplage und die tollsten Ratschläge zu ihrer Bekämpfung wurden Jahre hindurch zur ständigen Rubrik in den Tageszeitungen, ja es gab sogar eine „Österreichische Gesellschaft zur Bekämpfung des Straßenstaubes“.

Aber Wien und Österreich standen mit diesen Sorgen nicht allein. Auch in anderen Ländern, in Frankreich, Amerika, Deutschland und der Schweiz und – Monaco war niemand erfreut über die lästigen und „unhygienischen“ Begleiterscheinungen des Fortschritts. In Vincennes in Paris zum Beispiel war eine Straße im Villenviertel nahe daran „auszusterben“, weil sie durch den Automobilverkehr in Staubwolken bis zu zehn Metern Höhe versank. Ob man allerdings dort auf einen ähnlich drastischen Abwehrplan verfallen ist, wie er den Bewohnern von Theresienfeld an der schon damals stark frequentierten Triesterstraße gegeben wurde? Sie sollten einfach, schrieb damals eine Zeitung, quer über die Straße ein paar tüchtige „Caniveaus“ – sprich Gräben – ziehen, dann würden sich die Automobilisten das Durchrasen wohl überlegen.

Die Widersacher der Automobile taten aber noch mehr: sie setzten die Gesetzesmaschinerie in Bewegung und beantragten einen Paragraphen, der den Automobilisten kurzerhand das Befahren von Bezirksstraßen dritter Ordnung ausnahmslos und der Straßen erster und zweiter Ordnung an bestimmten Stellen verbieten sollte. Nebenbei plante man mit dem so angefeindeten Automobilismus aber auch bereits ein Geschäft. Die Einführung des Nummernzwanges sollte mit einer Steuer verbunden werden, schon damals ohne Garantie, daß die Einnahmen zur Verbesserung der Straßen verwendet würden.

Nun, zum Glück für die Autofahrer kamen andere Leute auf die bessere Idee, man könnte schließlich auch ein Verfahren erfinden, um die Straßen so zu präparieren, dass sie eben keinen Staub mehr entwickeln können…

Wie so oft in der Geschichte der Erfindungen musste der Zufall helfen. Und der Zufall ließ einen Doktor Guglieminetti in Monte Carlo die erstaunliche Beobachtung machen, dass flüssiger Teer, der versehentlich auf ein staubiges Straßenstück geraten war, erstaunliche Wirkung hatte: der Staub wurde gebunden. Der „Doktor“ begann zu experimentieren und siehe da – das neue Verfahren bewährte sich. Der Fürst von Monaco war der erste, der seine Straßen für die Versuche freigab und bald wurde in allen Städten der französischen Riviera fleißig geteert. Dies geschah in den Jahren 1902 und 1903.

Geradezu sensationell für alle vom Staub geplagten Anrainer der damaligen Straßen war der Bericht eines Zeitgenossen, der feststellte, dass die „ganze Umgebung der geteerten Straßen ein anderes Bild zeigt: die Blätter der Bäume behalten ihre natürliche Frische und die Bewohner der Straßen konnten unbeschadet die Fenster ihrer Wohnung offenhalten“. Auch die Wagenräder rollten auf den geteerten Straßen leichter dahin und ein Ausgleiten der Pferde war nicht zu befürchten. Daneben erwies sich das neue Verfahren auch für die Erhaltung als durchaus wirtschaftlich und wesentlich sparsamer. Der Anfang war getan…
Kaum ein Jahr nach den ersten Versuchen in Frankreich hatte auch Wien schon seine erste Teerstraße.

Bereits 1902 wurden bei Versuchen der Firma HANS FELSINGER mit Gasteer und Schotter auf der Reichsstraße bei Wiener Neudorf Erfahrungen gesammelt. Angeregt durch die Beobachtungen Doktor Guglieminettis begann HANS FELSINGER nun mit entwässertem Teer zu experimentieren und konnte das neue Verfahren soweit verbessern, dass jener Antrag an den Magistrat ging, der die Stadtväter bewog, dem Unternehmen die Nibelungengasse zwischen Babenbergerstraße und der Eschenbachgasse probeweise und auf eigene Kosten zur Teerung zu überlassen. Immerhin wurden von der Gemeinde drei Kubikmeter Sand und zwei Taglöhner beigestellt! Anfang August 1903 erlebte der Teerstraßenbau mit den ersten 400 Quadratmetern in Wien seine österreichische Premiere. Schon Mitte August konnte die frisch geteerte Straße dem starken Verkehr übergeben werden. Sie hatte übrigens – wie somanche neu Straße – ein unverdientes Schicksal. Schon im November wurde die Straßendecke wieder aufgerissen, um Kabel zu legen und im Dezember zum zweitenmal, um das Rinnsal und die Kanalgitter zu versetzen. Vorher aber stand sie noch im Mittelpunkt des Interesses der Stadträte, die mit den beiden Vizebürgermeistern an der Spitze eine eingehende Besichtigung vornahmen.

Vor nunmehr sechzig Jahren, im Jahre 1893, wurde in der Villa des Baron Springer in Meidling der erste „papierene Teich“, nach dem System von HANS FELSINGER, gebaut. Der Teichboden wurde nach diesem Verfahren nur mit Teerpappe und Holzzement abgedichtet. Auch hier war der Erfolg so überzeugend, dass in den Jahren ab 1903 zahlreiche Wiener Teichanlagen, so im Maria Josefapark, im Wertheimsteinpark, im Stadtpark, im Türkenschanzpark und auf Herrschaftsgütern in Österreich nach diesem System angelegt wurden. Auch die Jagdausstellung im Prater im Jahre 1909 erhielt einen „papierenen Teich“. Im Jahre 1906 erhielt der Hochstrahlbrunnen, eines der Wahrzeichen Wiens, diese Abdichtung, die nun schon ein halbes Jahrhundert Unbilden und Wasserfluten trotzt…

Am 13. Juni 1906 gab es in Wien die Generalprobe und zehn Tage später strömte die halbe Stadt auf dem Schwarzenbergplatz zusammen, wo um Punkt 9 Uhr abends die Fontänen des Hochstrahlbrunnens im Lichtzauber der Scheinwerfer zum erstenmal aufstiegen. 285.000 Kronen hatte der Bau gekostet. Kaum jemand in der begeisterten Zuschauermenge aber wußte, dass das Spiel von Wasser und Licht, durch die Abdichtung nach dem System der papierenen Teiche „gesichert und erhalten“ wurde.Unter dem rund 1200 Quadratmeter großen Wasserbecken, das einen Durchmesser von 40 Metern hat, liegt ein riesiger Kuppelraum, der durch eine Beton-Stahlkonstruktion überwölbt ist. „Fachleute“ hatten während des Baues versichert, dieser Raum, in dem sich die Pumpenaggregate und die technischen Anlagen befinden, würde schon am ersten Tag mit Wasser vollaufen. Aber die „papierene“ Abdichtung der Firma HANS FELSINGER hielt stand. Diese Dichtung hat trotz der Kriegsereignisse bis heute gehalten. Im Jahre 1950 ergab eine genaue Untersuchung, daß der Hochstrahlbrunnen noch immer vollkommen wasserdicht ist , was die Güte der damals geleisteten Arbeit beweist.

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